Sonntag, 7. August 2011

Zum Tod von Helmut Berninger


In den frühen Morgenstunden des ersten Juli verstarb mein Vater, Helmut Berninger.
Sein großer lebhafter Geist verließ für immer den von Krankheit ausgezehrten Körper, und trotzdem schön, wie von Bernini gemacht.
Es war und wird immer ein Privileg sein, einen solchen Giganten zum Vater gehabt zu haben.
Es war ein liebender Vater, der meiner Schwester und mir von frühester Kindheit an, den Zugang zum Guten und Schönen zu vermitteln suchte: der Kunst, der Philosophie und der Wissenschaft.
Mein Wunsch, einmal Naturwissenschaftler und insbesondere Biologe zu werden, der sich so früh entwickelte, war zweifellos damit verbunden, dass wir – er auf seinem Sofa liegend – zusammen Bücher über Paläontologie anschauten, in den Zoo gingen oder in die Paläontologische Staatssammlung.
Er war kein einfacher Diskussionspartner und bis zuletzt waren unsere Gespräche immer heftig. Als Kind, wenn ich mich nicht mehr anders erwehren konnte, begann ich auf ihn einzuhauen, sicherlich ein Privileg, dem eigenen Sohn vorbehalten.
Seine besondere Stärke war dabei, dass er alles bedacht sehen wollte. Der Gedanke, dass alles verrechnet werden müsste, hatte er vielleicht aus seiner Malerei gewonnen, in der er die gegenseitige Relativität und Abhängigkeit der Elemente und Komponenten wie in einem Organismus erkannte. Dieses Verlangen, alles verrechnet und und berücksichtigt zu sehen, hatte neben seiner philosophischen Bedeutung auch eine friedensstiftende.
Als ich ein Kind war, liebte es mein Vater am Klavier aus dem Boris Godunow von Mussorgsky zu spielen und zu singen, was sich für mich unauslöschlich eingeprägt hat. Besonders die herzzerreißenden Szenen, die ihre Wirkung auf mich nicht verfehlten, wie die Todesszene, in der sich der Zar Boris von seinem Sohn verabschiedet:

Aus dem Klavierauszug von Boris Godunow singend
Verlasst uns jetzt! Geht fort Bojaren! Leb wohl, mein Sohn, o, ich sterbe und bald wirst Du der Zar nun sein. O frage nicht, auf welche Art ich Zar geworden bin. Du sollst es wissen nicht! Du herrschest nun als echter Zar, rechtmäßger Erbe, als erstgeborner Sohn. Hör mich, mein Kind mein heißgeliebtes! Traue nicht den Bojaren, mein Sohn, den falschen; scharf überwach ihr Ränkespiel, ihr Verhandeln mit Litau’n. Den Landesverrat musst Du bestrafen erbarmungslos und schnell. Halte auf strenges Gericht, doch unparteiisch Urteil. Dem Schwesterlein sei stets ein treuer Schützer du. Du bleibst allein der Schützer ihrer Ehre. Hüte Xenia, die reine Taube!

Vielleicht übte diese Szene deshalb eine so große Wirkung auf mich aus, weil ich darin die Erhabenheit ahnte, wie es sein würde, sich von diesem großen Mann und Vater zu verabschieden.
Ich danke allen Freunden meines Vaters, die sich für sein Werk engagiert haben. Ich danke meiner Schwester. Und ich danke meiner Mutter für die große Liebe, die sie meinem Vater geschenkt hat.

Benedikt Berninger, 12. Juli 2011

Oil on canvas 2006